Einschätzung zum rechtsextremen Aufmarsch am 4. März

Erneut planen Rechtsextreme einen „Großaufmarsch“ unter dem Motto „Merkel muss weg!“ im Zentrum Berlins. Am Samstag, den 4. März 2017 droht damit wieder eine bis zu vierstellige Anzahl Rechtsextremer zu einem flüchtlingsfeindlichen Aufzug am Hauptbahnhof zusammenzukommen. Wie die Male zuvor, organisiert die rechtsextreme Gruppe „Wir für Berlin – Wir für Deutschland“ die Versammlung.

Obwohl eine kontinuierlich sinkende Teilnehmerzahl bei den vergangenen vier Veranstaltungen im letzten Jahr zu beobachten war, ist durch die mehrmonatige Pause nicht auszuschließen, dass sich im März wieder mehr Rechte einfinden könnten. Waren zur Premiere im März 2016 überraschend 3000 Teilnehmer erschienen, kamen im November vergangenen Jahres nur noch lediglich knapp 500 Rechtsextreme zusammen. Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR) geht vor diesem Hintergrund davon aus, dass auch am 4. März mit Teilnehmer_innenzahlen im oberen dreistelligen bis unteren vierstelligen Bereich gerechnet werden muss.

Die Gruppe „Wir für Berlin – Wir für Deutschland“

Auch dieses Mal tritt das rechtsextreme Label „Wir für Berlin – Wir für Deutschland“ (WfB/WfD) als Veranstalter der „Großdemo“ auf. Maßgeblicher Akteur der Gruppierung ist der Berliner Enrico Stubbe. Er ist durch seine früheren Aktivitäten bei den wöchentlichen Bärgida-Demonstrationen bekannt geworden und war bis Ende letzten Jahres Beisitzer im Bundesvorstand der rechtsextremen Kleinstpartei „Pro Deutschland“. Ob mit seinem zwischenzeitlich verkündeten Ausstieg bei „Pro“ auch ein Rückzug der Splittergruppe aus der Veranstaltung einhergeht, bleibt offen. Entgegen anderslautenden Bekundungen war sie nämlich in der Vergangenheit an der Organisation und Finanzierung der Veranstaltung ebenfalls beteiligt gewesen. Zudem bestehen Verbindungen zwischen WfB/ WfD und gewaltbereiten Hooligans von HoGeSa-Berlin („Hooligans gegen Salafisten“).

Kaum prominente Redner_innen

Die Redner_innen bei den vergangenen Aufmärschen äußerten neben rassistischen Positionen gegen Flüchtlinge und insbesondere Muslimen auch antisemitische, verschwörungstheoretische und NS-relativierende Inhalte. [1] Das für den 4. März angekündigte Programm lässt keine inhaltliche Mäßigung erwarten.

Neben den bereits von den vergangenen Versammlungen bekannten Redner_innen: dem Organisator Enrico Stubbe, dem Schweizer Rechtspopulisten Ignaz Bearth, dem Pegida-Aktivisten Kay Hönicke, der „Wir lieben Sachsen/Thügida“–Aktivistin Julia Schwarze und dem neurechten Aktivisten Viktor Seibel aus Kassel werden für den 4. März mit Lilly Steup und Amy Bianca zwei neue Rednerinnen angekündigt. Dabei fällt auf, dass es den Organisatoren für den 4. März offensichtlich nicht gelungen ist, in der Szene namhafte und überregional bedeutsame Redner_innen zu organisieren. Vielmehr wird sich auf altbekannte Protagonisten verlassen, die aber in der Vergangenheit auch keinen Anstieg der Teilnehmerzahlen erwirken konnten.

Die als Rednerin angekündigte Lilly Steup ist dem „Bündnis Deutscher Patrioten“ zuzurechnen und nahm bereits im Februar am neonazistischen „Trauermarsch“ in Dresden teil. Sie verbreitet regelmäßig rassistische und rechtsextreme Inhalte auf ihrem Facebook-Profil.
Die ebenfalls angekündigte Amy Bianca aus Österreich ist bislang lediglich im Kontext von Aktionen der „Identitären Bewegung Österreich“, der FPÖ sowie PEGIDA Österreich als Teilnehmerin aufgefallen. Beide dürfte mangels Reichweite und Bekanntheitsgrad keine Relevanz für die Mobilisierung zur Veranstaltung haben.

Mobilisierung: Online-Zusagen nehmen wieder zu

Öffentlich wird erneut nahezu ausschließlich in sozialen Netzwerken mobilisiert. Zwar berichten die Organisatoren auf Facebook von 50.000 verteilten Flugblättern in der Region Berlin/Brandenburg, überprüfen lassen sich diese Angaben jedoch nicht. Der MBR ist nicht bekannt, ob es überhaupt zu Verteilaktionen kam. Die Anzahl der Facebook-Zusagen für den 4. März belegt erneut eine hohe Verbreitung der Veranstaltung in den sozialen Medien, im Vergleich zur rückläufiger Tendenz im Vorfeld der letzten Veranstaltungen konnten erstmals wieder neue Zusagen für die Versammlung gewonnen werden. Waren die Zusagen für den 5. November auf rund 1.000 von vormals 9.000 Teilnahmebekundungen im März 2016 geschrumpft, ist nach aktuellem Stand (23.02.2017) mit 2.050 virtuellen Zusagen wieder ein Anstieg zu verzeichnen. Auch den fast 18.000 „an der Veranstaltung Interessierten“ im März 2016, standen beim letzten Aufmarsch nur noch rund 2.500 Interessierte gegenüber. Für den kommenden März sind es immerhin wieder fast 6.000 Personen. Erfahrungen der Vergangenheit zeigen allerdings, dass allein daraus noch keine verlässliche Einschätzung über die Zahl der tatsächlich Teilnehmenden abgeleitet werden kann. Die mehrmonatige Pause gab den Organisatoren zwar Gelegenheit länger für die Veranstaltung zu werben, und somit auch mehr „klicks“ zu generieren, ob allerdings wirklich mehr Teilnehmer kommen, ist dabei völlig offen.

Die für den Samstag zu erwartende Teilnehmenden dürften sich aus demselben Personenspektrum zusammensetzen wie bei den vorigen Malen: organisierte Rechtsextreme aus Kameradschaften, NPD, der Partei „III. Weg“, der „Identitären Bewegung“, Personen aus dem Reichsbürger-Spektrum, Fußball-affine Rechte und Hooligans, Mitglieder der „Patriotischen Plattform“ der AfD, Anhänger_innen rechter Splittergruppen und flüchtlingsfeindlicher Initiativen. Das Gewaltpotenzial der Teilnehmenden wird unverändert hoch sein.

Immer wieder hatten die Teilnehmenden der Aufmärsche in der Vergangenheit ihre Gewaltbereitschaft unter Beweis gestellt. Bei zahlreichen angereisten Teilnehmer_innen der vorherigen Aufmärsche wurde Pfefferspray und Passivbewaffnung festgestellt. Im Mai haben am Rande zwei Mitglieder der organisierten, aktionsorientierten rechtsextremen Szene aus Berlin im Hauptbahnhof gezielt ein Mitglied des Abgeordnetenhauses attackiert. Im Verlauf des Aufmarsches wurden Journalist_innen teils massiv bedrängt, aggressiv neonazistische Parolen gerufen und laut Beobachter_innen auch mehrfach Hitlergrüße gezeigt. Zudem war zuletzt eine Verschiebung weg von mehrheitlich bürgerlich auftretenden Flüchtlingsfeinden zu offen agierenden Rechtsextremen und Hooligans zu beobachten.

Alle Informationen zu den geplanten Gegenprotesten finden Sie bei unserem Partnerprojekt Berlin gegen Nazis.

[1] http://jfda.de/blog/2016/05/10/rechtsextreme-marschieren-in-berlin/