Am kommenden Sonnabend wollen die in der Gruppe zusammengeschlossenen Cafés, Kneipen, Projekträume, Antifa-Gruppen und Galerien einen »Langen Tag gegen Nazis« veranstalten. Wobei das Programm von einem historischen Stadtspaziergang, Veranstaltungen, Filmvorführungen bis hin zu Partys reicht. »Wir machen diesen Tag, um uns gegen die zahlreichen rechten Übergriffe im Bezirk zur Wehr zu setzen«, erklärt Jakob Kordon von »Neukölln gegen Rechts«. Ziel sei es auch, mit den Veranstaltungen Geld zu sammeln, um die durch die Neonazi-Übergriffe entstandenen Sachschäden bezahlen zu können.
Allein in der vergangenen Woche waren – wie ND berichtete – bei mehreren linken Läden in Neukölln und Kreuzberg die Scheiben eingeworfen und Schlösser verklebt worden – bei der Chile-Freundschaftsgesellschaft »Salvador Allende« schon zum dritten Mal. »Wir haben erneut Strafanzeige gestellt«, berichtet Mario Berrios, der Vorsitzende der Freundschaftsgesellschaft. Man wolle jetzt dem zunehmenden »Terror der Neonazis« nicht mehr tatenlos zusehen. Bereits im Dezember 2009 waren nach der ersten Übergriffswelle 1000 Menschen gegen Rechts in Neukölln auf die Straßen gegangen. Die Chile-Freundschaftsgesellschaft hat sich darüber hinaus mit einem offenen Brief an die Anwohner gewandt, um auf das Problem aufmerksam zu machen. Der Lange Tag ist nur als Zwischenschritt zu sehen: »Wir wollen die politische Arbeit gegen Rassisten und Neonazis langfristig auf die Beine stellen«, betont auch Jakob Kordon.
Damit haben die Neonazis ihr Ziel, Antifaschisten, Bürger und Linke einzuschüchtern, deutlich verfehlt. Denn die Angegriffenen wehren und vernetzen sich stattdessen. Dass die Täter der Übergriffe aus der rechtsextremen Szene stammen, steht indes außer Frage. »Ein Großteil der Übergriffe war eindeutig rechtsextrem motiviert«, sagt Matthias Müller von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR). Darauf würden einerseits die zurückgelassenen Sprühereien wie »C 4 for Reds«, »Dresden 45 – unvergessen« als auch die Ziele der Angriffe, in der Überzahl linke Treffpunkte, Parteibüros, Läden und Kneipen, hindeuten.
Eine aktive rechte Szene gibt es im Berliner Südosten seit den 80er Jahren. Im Sommer 2008 verübten junge Neonazis zwei rassistische Brandanschläge in Rudow, denen glücklicherweise niemand zum Opfer fiel. Eine der Spuren nach einem Brandanschlag auf das »Haus der Demokratie« im brandenburgischen Zossen vor ein paar Wochen führt ebenfalls nach Rudow. Vermutlich kommen auch die Täter der Berliner Attacken aus dem Umfeld sogenannter Autonomer Nationalisten. Denn offenbar gibt es bei diesen Neonazis Unzufriedenheit über den Niedergang der rechten Szene in der Stadt. »Es gibt Leute, die sagen, das ist uns zu lasch, wir wollen wieder wahrgenommen werden«, vermutet auch Matthias Müller von der MBR. Deswegen die Neonazi-Aktionen und nächtlichen Streifzüge in Gebiete wie Nord-Neukölln und Kreuzberg, die für das Zusammenleben von unterschiedlichen ethnischen Hintergründen stehen würden.
(_Martin Kröger_)