„Sie demonstrieren nach außen hin ein ganz biederes und soziales Gesicht. Die Frauennachmittage, an denen unter anderem gebastelt oder gesungen wird, haben Zulauf“, so die Erfahrung von Rotraut Reinecke aus Lübtheen. Sie bestätigte aus der Praxis das, was zuvor Dr. Esther Lehnert und Johanna Sigl von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) aus Berlin in ihren Vorträgen darlegten. Es sind immer mehr Frauen, die sich in der rechten Szene einbringen. „Jeder vierte Neueinsteiger“, so Esther Lehnert, ist weiblich. „Dabei sind die Frauen politisch weniger aktiv als die Männer. Und sie fallen auf den ersten Blick auch nicht gleich auf. Das ist schon so gewollt“, ist die Erfahrung der Expertin aus Berlin. „Bis zu einem gewissen Grad ist es sogar gewünscht, dass sich die Frauen zunehmend in der rechten Szene etablieren – diese soll mit den weiblichen Mitgliedern einen eher sanften Touch bekommen und damit salonfähiger werden“, ergänzt Esther Lehnert.
Verankerungen in sozialen Bereichen
Und sie weist gleichzeitig auf die immer stärkere Verankerung der rechtsextremen Frauen und Mädchen besonders im ländlichen Raum in sozialen Bereichen, bei Nachbarschaften, der Mitarbeit in den Kommunen , in Selbsthilfegruppen und Familienzentren hin.
Das bestätigten auch mehrere Teilnehmer des Abends, wie Rotraut Reinecke aus Lübtheen. „Rechtsextreme Frauen wollen verstärkt Sportfeste und Kinderfeste im Dorf organisieren, bringen sich bei Elternbeiratswahlen ein. Und oft erkennt man ihre eigentliche Gesinnung erst sehr spät“, so war zu erfahren. „Sie offenbaren sich in Betrieben oder Vereinen immer erst nach einer gewissen Zeit.“
Was man dagegen rechtlich unternehmen kann?
„Das ist nicht einfach“, so eine Mitarbeiterin vom Betrieblichen Beratungs Team (BBT) – gegen Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz in der Arbeitswelt in Mecklenburg-Vorpommern. „Eine Möglichkeit wäre unter anderem die Vereins- bzw. die Betriebsvereinbarungen gleich so zu formulieren, dass das Bekanntwerden einer rechtsextremistischen Gesinnung zum Ausschluss führen kann.“ Sie bot in dem Zusammenhang den Frauen und den anderen Teilnehmern Hilfe und Beratung an. Kontakt aufnehmen können Interessenten über „Lola für Lulu“, Alexandrinenplatz 7 in Ludwigslust.
Individuelle Unterstützung für einzelne Regionen versprach auch Anne-Rose Wergin, Leiterin des Projektes „Lola für Lulu“, der Amadeu Antonio Stiftung. Dabei verwies sie darauf, dass es in mehreren Regionen schon zahlreiche Aktivitäten gibt, wie das aktive Bürgerbündnis gegen Rechts in Lübtheen.
Alternative Angebote fehlen in den Kommunen
„Ein Grund, dass viele junge Mädchen in die rechte Szene einsteigen ist“, so Johanna Sigl, „das Fehlen alternativer Angebote in den Städten und besonders in den Dörfern“. Ein zustimmendes Nicken war unter den 30 Teilnehmern des Abends zu spüren. Dabei wurden dann Worte im Raum laut wie: Kreativität und Kommunikation fehlen; wir müssen uns mehr austauschen; die Parteien sind noch sehr schwerfällig; nicht nur die Parteien sind gefragt, sondern alle mündigen Bürger …
„Es ist wichtig, dass wir uns rechtzeitig einmischen und aktiv werden“, so die Expertin Johanna Sigl. „Besonders bei den jungen Mädchen – wir erreichen sie schneller, wenn ihr Weltbild noch nicht gefestigt ist.“
Es wurde noch lange diskutiert an dem Abend – alle waren sich einig: Aktivitäten sind umgehend gefordert.
(Brunhilde Schmidt)