“Die islamistische Bedrohung agiert weltweit. Und der Crash der Kulturen bedroht uns alle. Und die Freunde in Israel müssen ihre Hausaufgaben machen, aber auch wir in Deutschland dürfen nicht zulassen, dass die islamistischen Parallelgesellschaften das Bild unserer Städte zukünftig prägen.”
Mit diesen Worten brachte Markus Beisicht die vorgebliche Gemeinsamkeit des deutschen Rechtspopulismus mit Israel auf den Punkt. Anlass war eine deutsch-israelische Konferenz in Gelsenkirchenam 4. April 2011, zu der PRO NRW neben dem Vorsitzenden der Republikaner auch Vertreter der Rechten aus Israel eingeladen hatte. Zu den Referenten zählten u.a. David Ha’ivri, Hillel Weiss und Rabbi Schalom Dov Wolpo, Hintergrundinfos hat die Mobile Beratung im Regierungsbezirk Münster.
Bereits in den Monaten zuvor gab es regen Austausch mit verschiedenen rechten Politikern aus Israel. Im Dezember 2010 besuchte eine Delegation europäischer Rechtspopulisten Israel. Neben Geert Wilders, dem europäischen Aushängeschild des Rechtspopulismus, Filip Dewinter von der belgischen Partei Vlaams Belang, Kent Ekeroth von den “Schwedendemokraten” und dem FPÖ-Mann H.C. Strache, das ehemalige Berliner CDU-Mitglied René Stadtkewitz für die deutsche Partei “Die Freiheit” mit. Nur wenige Wochen darauf besuchte auch Patrik Brinkmann, Pro Deutschlands “internationaler Sekretär”, Israel und auch Gegenbesuche sind gerne gesehen: Im März 2011 empfingen Brinkmann – nunmehr Landesvorsitzender von PRO in Berlin – zusammen mit Manfred Rouhs den israelischen Rechts-Außen-Politiker David Ha`ivri, Siedler-Aktivist und vorbestraft u.a. wegen der Entweihung einer Moschee und der öffentlichen Rechtfertigung der Ermordung Rabins.
Es scheint, als ob es den beiden rechtspopulistischen Parteien ein Anliegen ist, das besonders gute Verhältnis zu Israel zu betonen. Aber warum?
In der so genannten “Jerusalemer Erklärung”, die den programmatischen Abschluss der Reise von 2010 darstellt, betonen die Rechtspopulisten ihr Bekenntnis zu “Demokratie und freiheitlichem Rechtsstaat, zu den Menschenrechten im Sinne der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, zum Völkerrecht und zum Wertekanon der westlichen Zivilisation” und insbesondere zu Israel.
Nun fällt ein Teil der Maskerade bereits, wenn das großspurige Bekenntnis zur Demokratie mit dem Demokratie-Verständnis von PRO und FREIHEIT verglichen wird.
Beide Parteien teilen dasselbe Fundament: den Angriff auf die Religionsfreiheit sowie das Schüren und die rassistische Zuspitzung von Ängsten gegen “den Islam”. Schon hier wird deutlich, in welch eklatantem Widerspruch diese Politik zur Realität in Israel steht. Während die Rechtspopulisten vor der islamischen Bedrohung warnen, finanziert Israel den Druck von Koranbüchern und die Betriebskosten von mehr als 100 Moscheen und gewährt als Demokratie den rund 1.255.000 Israelis muslimischen Glaubens das Recht auf Religionsausübung. Auch gibt es in Israel eine staatlich anerkannte islamische Gerichtsbarkeit – und bislang lässt sich in Israel noch keine “Herrschaft der Scharia” feststellen, vor der die deutschen Rechtspopulisten nicht müde werden zu warnen.
Zum Vergleich: Während die muslimische Bevölkerung in Israel bei 16,8% liegt, sehen die Rechtspopulisten bereits in den 4-5 % Muslimen in Deutschland ein Anzeichen für den Untergang des Abendlandes .
Doch das Aufzeigen von Widersprüchen zwischen demokratischer Fassade und rassistischer Realität beantwortet noch nicht die Frage, warum die Allianz mit Israel bei den neueren Rechts-Parteien so begehrt ist.
Sie erfüllt zwei zentrale Zwecke der rechtspopulistischen Inszenierung: Sie soll die glaubwürdige Distanz zu rechtsextremen Parteien wie der NPD herstellen und den Nahostkonflikt als einen manichäischen Kampf zwischen westlicher Demokratie und Islam darstellen.
Das Ticket aus der rechten Ecke
Das Parteienspektrum in Deutschland weist klassischerweise eine Lücke zwischen dem etablierten Konservatismus und dem parteiförmig organisierten Rechtsextremismus auf.
Obwohl das Wähler/innenpotential in dieser Lücke je nach Umfrage bei ca. 20% liegt und obwohl die Zustimmung zu insbesondere antimuslimisch-rassistischen Aussagen dramatisch ansteigt, gab es bislang keine Partei, die diese Lücke zu schließen vermochte. Notwendige Bedingung für die Besetzung dieses politischen Ortes ist, der Öffentlichkeit glaubhaft zu machen, dass es sich bei dieser Partei nicht um Neonazis handelt. Denn trotzdem ein beängstigend hoher Teil der deutschen Mehrheitsgesellschaft Aussagen zustimmt, die aus dem NPD-Parteiprogramm sein könnten, gelten offen rechtsextreme Parteien in vielen Millieus als nicht wählbar. Zu fadenscheinig sind die Bemühungen, einen Unterschied zwischen dem gewalttätigen Mob und dessen politischen Arm aufzeigen zu wollen, zu laienhaft wirken die parlamentarischen Inszenierungen der NPD. Nicht zuletzt dürften die Hemmungen an der Wahlurne auch darin begründet sein, dass ein unverhohlen positiver Bezug auf den Nationalsozialismus in Politik und Öffentlichkeit nicht opportun ist.
Die strategische Einbindung israelischer Politiker in den Wahlkampf von PRO und Freiheit soll über ihren Rassismus hinwegtäuschen und dient als Ticket in die Riege der demokratischen Parteien.
Mobilmachung gegen Muslime
Der zweite Grund dieser gesuchten Allianz ist das Bestreben, die mit Israel und dem Nahostkonflikt verbunden Assoziationen und Emotionen in den rechtspopulistischen Wahlkampf einzubauen. Der gesamte Nahostkonflikt wird als ein Kampf zwischen Islam und westlicher Demokratie gezeichnet, mehr noch: Israel erscheint als der Ort, an dem mit diesem Kampf das Los der gesamten Menschheit entschieden wird. In diesem Weltbild gehen sowohl die realen Umstände des israelisch-arabischen Konfliktes als auch der demokratische Charakter des israelischen Staates unter. Israel kämpft nicht gegen den Islam, warum sollte es? Israel verteidigt die Sicherheit und das Leben seiner Bürgerinnen und Bürger gegen terroristische Angriffe, ob diese islamisch, christlich oder auch weltlich sind. Indem die rechtspopulistischen Parteien die strategische Nähe zu Israel suchen, stehen sie nicht Israel bei, sondern instrumentalisieren den Konflikt indem sie ihn im Kontext eines behaupteten islamischen Griffs nach der Weltherrschaft stellen.
Den Rechtspopulisten ist nicht an einem Frieden im Nahen Osten gelegen, denn nur die Fortdauer des Konfliktes lässt sich in antimuslimischen Rassismus ummünzen.
Mehr als um einen realen Frieden geht es ihnen um den Beweis der Niedertracht des Islam.
Dass ihnen dabei Applaus von Politikern wie Ha´ivri zuteil wird ist kein Zufall. Diese Gemeinsamkeit ist eine von Rassisten. Mit der demokratischen Gesellschaft Israels und seinen Bürgerinnen und Bürgern, mit deren Ängsten und Hoffnungen hat sie nichts zu tun.
Von Sebastian Wehrhahn, Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus, Berlin